Angesichts der Fakten und Prognosen zum Klimawandel und den bevorstehenden Verhandlungen in Paris zum Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls stellen Eva Mahnke und Benjamin von Brackel (klimaretter.info) in ihrem Podium die Frage „Wie radikal darf und muss man sein, um die Welt zu retten?“.
Die Fakten sind bestechend: Um das Zwei-Grad-Ziel halten zu können, will die Bundesregierung bis 2020 die CO2-Emmissionen um 40 % gegenüber 1990 senken. Der Ausstieg aus fossilen Energien und die Umsetzung der Energiewende gehen jedoch nur im Modus „ein Schritt vor, zwei Schritte zurück“ voran. Und die Prognosen bezüglich der Erderwärmung zeigen jetzt schon, dass das Zwei-Grad-Ziel vermutlich mit den derzeit zur Diskussion stehenden Maßnahmen nicht zu halten sein wird (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung).
Was also machen, wenn die Politikmaschine zu langsam läuft? Immerhin ziehen sich die Verhandlungen um gemeinsame international rechtlich verbindliche Klimaziele hin und viele Umweltverbände zeigen sich angesichts der bereits veröffentlichten Verhandlungs-Inhalte enttäuscht.
Ist es daher legitim oder sogar notwendig die Politikmaschine zu beschleunigen, indem man mit radikaleren Aktionsformen die umweltpolitischen Brennpunkte stärker in die Öffentlichkeit holt oder dadurch beispielsweise an einem Ort die weitere Abholzung von Wäldern oder die Kohleförderung verhindert? Mahnke und von Brackel nennen Beispiele, z.B. die Besetzung des Hambacher Forsts, um die Abbaggerung für die Erschließung von Braunkohle und die Rodung des Waldes zu verhindern, das Besetzen einer Öl-Plattform durch Greenpeace, um die Förderung von Öl in der Arktis zu verhindern, die Blockupy-Proteste in Frankfurt. Fördert man mit radikaleren Aktionen die Aufklärung über die schon vor der Tür stehenden Folgen des Klimawandels und den notwendigen Maßnahmen, erhält man mehr Rückhalt in der Bevölkerung und mehr Aufmerksamkeit von der Politik?
Die Meinungen im Publikum gehen auseinander: Während einige die Meinung vertreten, dass eine Radikalisierung notwendig ist, da von der Politik nichts zu erwarten sei, stimmen andere eher dagegen, weil damit der Rückhalt in der Bevölkerung verspielt würde. Jemand anderes will Radikalisierung eher als Radikalisierung des Denkens verstanden wissen und weniger im Sinne von gewaltsamen Ausschreitungen. Der erste Schritt könne doch auch sein, das eigene Verhalten und in diesem Sinne das Umfeld zu verändern. Von den politischen Entscheidungen der letzten Jahre zeigt sich die Mehrheit des Publikums eher enttäuscht. Dass hier rechtzeitig gehandelt und Maßnahmen durchgesetzt werden, erwartet niemand mehr wirklich. Auch eine Radikalisierung der Proteste könne nur noch marginal dazu beitragen, Druck auf die Politik auszuüben. Proteste und Aktionen tragen höchstens zur Verlangsamung bestimmter Vorhaben bei, bspw. der Rodung des Hambacher Forsts, und um hin und wieder die Aufmerksamkeit von Politik und Bevölkerung zu erhalten.
Da erscheint die Radikalisierung des Denkens doch eine aussichtsreiche Praxis zu sein, um selbst handlungsfähig zu bleiben und mit dem Umstellen der eigenen Lebensführung zu beginnen. Aber nicht nur auf einer individuellen Ebene ist dies denkbar, sondern auch auf der technologischen Ebene.
Daniela Schmidtke