Die Diskussion der TeilnehmerInnen und des Publikums am LiMA-Podium „Journalismus zwischen Engagement, Werten und Neutralität“ mit Dagmar Dehmer (Der Tagesspiegel), Martin Kaul (taz) und Verena Kern (klimaretter.info, Moderation) fokussiert sich schnell auf den Grundsatz des Journalismus – das Objektivitäts-Dogma: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten.” Seitdem dieser Grundsatz im Journalismus herrsche, gebe es den Streit darum, ob Journalisten eine distanzierte Haltung zur Sache, über die sie schreiben, einnehmen oder sich gerade mit ihr gemein machen, also eine bestimmte Perspektive auf das Thema einnehmen sollten.
Interessant an Martin Kaul und Dagmar Dehmer ist, dass zwei auf dem Podium sitzen, die sich politisch engagiert haben, der eine als Aktivist, die andere bei den Grünen. Beide haben sich für den Journalismus entschieden und die andere Rolle abgelegt. Warum, sie das gemacht haben, begründen beide etwas unterschiedlich: Martin Kaul als klare Entscheidung gegen den Aktivisten und für den Journalisten und Dagmar Dehmer als Glücksfall, da sie sich im Journalismus richtig verortet fühlt. Beide positionieren sich gegen eine Vermischung oder Deckungsgleichheit beider Rollen. Dehmer würde z.B. nie über Umweltthemen schreiben, da sie mit ihrer Vergangenheit bei den Grünen in Versuchung gelangen bzw. Verdacht geraten würde, grünen Lobbyismus zu betreiben statt Journalismus. Kaul sagt ähnliches über die Rolle des Aktivisten als Journalist. Die Vermittlung aktivistischer Inhalte habe seine Grenzen. Mit dem Wiedergeben von Zielen und Forderungen von Bewegungen, Initiativen etc. könne man deren Themen natürlich voranbringen, es handele sich dabei jedoch immer um eine bestimmte Perspektive, die häufig zugespitzt ist und andere Kontexte und Fakten außen vor lässt. Beide bejahen in diesem Sinne also die Distanz des Journalisten zur Sache. Das Abwägen von Fakten, unterschiedlichen Perspektiven und Kontexten gehört für beide zum journalistischen Handwerk.
Trotzdem sind sich die PodiumsteilnehmerInnen einig: Objektivität im klassischen Sinne gebe es im Journalismus so nicht. Man schreibe beispielsweise im Sinne einer Zeitung oder im Sinne seiner Leserschaft, man schreibe für ein Thema, bringe es voran, kritisiere es oder bereite Fakten auf. Wie man aber darüber schreibt, hänge vom Format ab.
Junge angehende JournalistInnen im Publikum sind der Meinung, dass Journalismus faktenbasiert sein muss. Da die Haltung von JournalistInnen von ihrem kulturellen Kontext beeinflusst sei, also bereits bestimmte Wert- und Moralvorstellungen und ihre eigene Meinung bei der Betrachtung einer Sache eine Rolle spielten, müsse dies von ihnen kritisch reflektiert werden. JournalistInnen hätten auch die Aufgabe, verschiedene Positionen zu einem Thema einzubeziehen und ihre Perspektive auf das Thema transparent zu machen. Dagegen halten im Publikum sitzende, erfahrenere JournalistInnen und BloggerInnen, dass Objektivität zwar gut sei und Journalismus natürlich auch faktenbasiert sein müsse, jedoch gelte auch, dass jeder seine eigene Meinung haben dürfe, aber nicht jeder seine eigenen Fakten. Also, auch Fakten könnten irreführend sein. Zum Schreiben gehöre gerade, weil man Fakten bzw. ein Thema für Leser aufbereitet oder kommentiert, eine Haltung dazu. Wenn klar sei, wer schreibe und welche Motivation dahinter stünde, sei dies auch transparent. Dagmar Dehmer überlegt, ob nicht das, was als »objektiver Journalismus« bezeichnet wird, eigentlich »fairer Journalismus« – also einer, der unterschiedliche Positionen klarmacht und seine Perspektive offenlegt – genannt werden sollte. Kaul, der auf seinen konfrontativen Stil in seinem Interview mit einem Sprecher von Blockupy angesprochen wird, macht klar, dass konfrontative Fragen im Sinne des Interviewten und Lesers seien. Die Interviewpartner könnten ihre Positionen schärfen und im Interview tauchten nicht nur die ewig wiederkehrenden Aussagen der jeweiligen Bewegung auf.
Am Ende lassen sich Haltung und Objektivität also nicht ganz trennen. Vielleicht kann objektiver Journalismus im Sinne eines fairen Journalismus und engagierter Journalismus als konfrontativerJournalismus gedacht werden, damit Positionen nicht einfach unkritisch und unrefelektiert übernommen werden, sondern Gespräche geführt, Positionen begründet, Hintergründe erläutert und Inhalte übersetzt werden.
Daniela Schmidtke