Was wird das nd werden?
Seit dem Jahreswechsel wird die Zeitung nd von einer Genossenschaft herausgegeben – Wie kam es dazu und was sind aktuelle Herausforderungen?
Ein Kurzbericht über den Jour Fixe der LiMA vom 12. Januar 2021, bei dem Mitglieder der LiMA und Interessierte mit Ines Wallrodt (Vorstand der nd.Genossenschaft und Redaktionsleitung) und Daniel Lücking (Aufsichtsrat der nd.Genossenschaft und Politikredakeur) über die Gründung der nd.Genossenschaft diskutierten.
und Hannah Grüneberg
2021 war ein sportliches Jahr für die Tageszeitung nd, ehemals neues deutschland, deren Herausgeberschaft sich seit dem Jahreswechsel von einer Verlags GmbH zu einer Genossenschaft gewandelt hat. Der Gedanke, die Eigentumsform der Zeitung in eine Genossenschaft zu verändern, bestand in der Belegschaft zwar schon lange, aber mit der Entscheidung der ursprünglichen Gesellschafter Anfang 2021 für den endgültigen Rückzug musste dann doch alles ganz schnell gehen. Auf der Gesellschafterversammlung der Verlags GmbH hatte die Hauptgesellschafterin, die Partei DIE LINKE, beschlossen, sich als Eigentümerin endgültig zurückzuziehen. Der Partei werfe man zwar nichts vor, hatte sie doch immer mal wieder ein Minus im Geschäftsergebnis der Zeitung ausgeglichen, aber von der schnellen Entscheidung waren die Zeitungsmacher*innen dann doch überrascht worden und man hätte sich einen geordneteren Übergang und insbesondere mehr Zeit erhofft.
Das sich darstellende Problem begriff die nd-Belegschaft als dornige Chance und man habe mit einer großen Welle an Zustimmung, Sozialplänen für die Belegschaft und einer Anschubfinanzierung der ehemaligen Gesellschafter*innen nun den Fortbestand der Zeitung vorerst gesichert. Mehr als 600 Genoss*innen hätten auch bereits konkret signalisiert, Anteile zu zeichnen. Das sei ein guter Start, merkten Ines Wallrodt und Daniel Lücking beim Jour Fixe an, dabei ist die eigentliche Kampagne zur Mitgliedergewinnung noch nicht einmal gestartet. Mit einer scherzhaften Bemerkung meinte dann auch einer der Gäste, dass man bereits als nd.Genossenschaft plant, kommende Woche die 2602 Genossenschaftsmitglieder, über die die Zeitung Junge Welt verfügen soll, eingeholt zu haben.
Doch was bedeutet es, wenn in einem Mal Mitarbeiter*innen und Leser*innen zu Eigentümer*innen und Manager*innen ihrer Zeitung werden? Was das nd werden wird, entscheiden nun alle mit, die einen Genossenschaftsanteil zeichnen. Die erste Herausforderung dieser demokratischen Unternehmensform ist es dann direkt, die jährliche Genossenschaftsversammlung zu organisieren, um Mitglieder für den Vorstand und Aufsichtsrat zu wählen. Die Sache mit der Pandemie macht so eine Veranstaltung nicht leichter.
In der Diskussion meinte ein Stammleser der Zeitung, dass er in den Artikeln einen frischen Wind gespürt habe; dass er den Aufbruch in eine neue Zeit für das Blatt schon in den Texten habe herauslesen können. Gleichzeitig stellen sich für die Zeitung natürlich dieselben Fragen wie für alle Zeitungen: die Umstellung der Lesegewohnheiten auf Onlineangebote, die Verzahnung von Online- und Print, die Erschließung neuer Nutzer*innengruppen durch neue Angebote (Muckefuck-Newsletter, Podcast-Formate etc., Wochenendausgabe usw.). Denn klar ist, dass diese Zeitung zwar eine besondere Geschichte hat, aber letztlich auch ein Geschäftsmodell benötigt, das sich am Ende rechnet. Und das nun zukünftig ohne eine große Eigentümerin im Rücken, die auch mal über ein schwieriges Geschäftsjahr hinweghelfen kann.
Welche Zeitung will das nd also zukünftig sein? Dazu war es einem Diskussionsteilnehmer nicht entfallen, dass der Slogan der ‚sozialistischen Tageszeitung‘ auf der Wochenendausgabe (nd.DieWoche) nicht mehr auftaucht. Auf dem Internetauftritt (nd-aktuell.de) heißt der Claim seit einiger Zeit ‚Journalismus von links‘. Wie die Zeitung also ihr Erbe hochhalten will und gleichzeitig undogmatisch links und pluralistisch in die Zukunft gehen wird, das sei noch ein offener und nun auch demokratisch ausgetragener Diskurs in der Zeitung. Aber auch bei der Selbstreflektion hört es nicht auf, denn als Zeitungsmacher*innen wollen sie ja nicht nur das eigene Klientel bedienen und den Leser*innen immer nach den Mund schreiben. Sie wollen ja potentiell Nachrichten für potentiell Alle liefern, Meinungsvielfalt darstellen und ein Ort der Debatte sein.
Es ist schon eine komplexe Geschichte, eine Zeitung zu machen. Dass aber auf einen kapitalistischen Nachrichtenmarkt immer wieder Eigentümer Einfluss auf Redaktionen nehmen oder Redaktionen Werbekunden in ihrer Zeitungen nicht verschrecken möchten, haben jüngste Beispiele gezeigt. Insofern ist die demokratische Eigentümerschaft einer Zeitung über eine Genossenschaft ein Modell, das weitgehende redaktionelle Unabhängigkeit sichert und somit den Diskurs bereichert. Es bleibt der Wunsch aller Diskussionsteilnehmenden beim Jour Fixe, dass sich die hohen journalistischen Ansprüche auch unternehmerisch rechnen und das nd fortbesteht.
Glück auf!