„Sie erkennen mich an meinem bunten Haar“ – Laura Laugwitz (27), Referentin bei der kommenden „#Gendermania?“-Weiterbildung der Linken Medienakademie Ende August, sitzt vor einem großen Becher Kaffee im „Südblock“ am Kottbuser Tor in Berlin. Sie ist Mitorganisatorin der Rails Girls Berlin und steckt derzeit auch in der Endphase ihres Bachelorstudiums „Informatik und Wirtschaft – Frauenstudiengang“ an der HTW.
Informatik und Frauen. Bei dieser Assoziation bildet sich vermutlich bei der Mehrheit unserer Gesellschaft ein großes Fragezeichen über dem Kopf. Wie kam es dazu, dass Sie bei den Rails Girls eingestiegen sind?
Noch in der Schule hat mein Informatiklehrer mich sicher als hoffnungslosen Fall eingestuft (lacht). Dabei hatte ich mit meinem Vater sogar eine eigene Harry-Potter-Fanseite kreiert. Als ich dann 2008 nach Berlin für meinen Bachelor in Sozialwissenschaften und Kulturanthropologie ging, bin ich in die IT-Branche gerutscht. Meine Abschlussarbeit befasste sich mit dem Thema „Räume für Frauen in der IT“. Während ich darüber forschte, bin ich als Teilnehmerin an einem Rails-Girls-Workshop über die Organisation gestolpert.
Wer oder was sind die Rails Girls?
Die Rails Girls starteten 2010 in Finnland und sind seit 2011 in Berlin aktiv. Mittlerweile gibt es weltweit in vielen Städten sogenannte „Chapter“. Ein Team organisiert dabei kostenfreie Workshops, die Frauen mithilfe der Programmiersprache Ruby in die Web-Entwicklung heranführen sollen.
Die Workshops werden ausschließlich für Frauen angeboten?
In der Regel ziehen wir Frauen oder Frauen* vor. Wenn noch Plätze frei sind, können auch Männer den Kurs besuchen. Aber in letzter Zeit sind unsere Kurse immer ausgebucht. Wir haben auf 50 bis 60 Plätze in einem Workshop in der Regel 150 Bewerbungen von Frauen.
Wie reagieren die Männer auf eine Absage?
Es gibt immer Leute, die sich diskriminiert fühlen. Es stört mich auch nicht, wenn Männer ihre eigenen Räume schaffen wollen, und es ist auch nicht meine Aufgabe, mich darum zu kümmern. Ich glaube nicht, dass es noch nötig ist, Plätze für männliche Bewerber zu schaffen, da die klassischen IT-Räume schon männerdominiert sind.
150 Bewerbungen auf 50 bis 60 Plätze. Besser könnte es ja gar nicht laufen. Ich hätte gedacht, dass man die Frauen* stärker dazu motivieren muss, an so einem Programmier-Kurs teilzunehmen.
Frauen muss man nicht motivieren, sondern sie benötigen nur einen festen Rahmen, in dem sie sich wohl fühlen. In gemischtgeschlechtlichen Gruppen sind Frauen oft gehemmt, Fragen zu stellen, weil irgendwer mit den Augen rollt oder schneller ist. Vor allem beim Programmieren macht man oft fünf Mal denselben Fehler. Deshalb versuchen wir, ein Setting zu schaffen, in dem sich die Leute auf das Lernen konzentrieren können. Unser Fortgeschrittenenkurs „Code & Cake“ findet beispielsweise am Samstag statt und bei dem gibt es Kuchen und Kaffee.
Das klingt verlockend. Ist es denn vonnöten, Initiativen wie Rails Girls zu gründen?
Ich glaube, dass Menschen verschiedene Lebensrealitäten haben. Wenn nur Menschen mit einer Lebensrealität IT-Anwendungen bauen, gibt es nicht die Möglichkeit, sich in andere Lebensrealitäten hineinzuversetzen und auf deren Bedürfnisse einzugehen. Je verschiedener die Leute sind, die in der IT arbeiten, desto verschiedener sind die Ergebnisse und desto mehr Bedürfnisse können gedeckt werden. Das Konzept Technik und Männlichkeit – das ist das, was uns im Weg steht. Und dieses Konzept wollen wir mit Hilfe von Rails Girls anfangen aufzulösen.
Ein tolles Programm, das bei uns entstanden ist, ist die Webanwendung Speakerinnen*. Unsere älteste selbstorganisierte Lern-Gruppe, die Ruby-Monstas, hatten nicht sehr überraschend festgestellt, dass meist nur Männer auf Konferenzen sprechen und sich oft damit herausreden, dass sie keine Frauen gefunden haben, die vorn sprechen können. Dieses Problem ist mit der Anwendung gelöst. Die Speaker*innen-Liste hat das Ziel, die Sichtbarkeit von Frauen* bei Konferenzen zu erhöhen, indem Frauen* sich mit ihren Themen ein eigenes Profil erstellen. Die Veranstalter*innen haben dadurch die Möglichkeit, Expert*innen, die über spezielle Themen informiert sind, in der Datenbank zu finden.
Sie hatten vorhin von Code & Cake gesprochen. Können die Teilnehmer*innen bei dem LiMA- Workshop „Grundlagen der Computerei“ auf ein Stück Kuchen hoffen?
Generell backe ich gerne und gönne meinen Händen eine Abwechslung zur täglichen Tipperei. Also lasst Euch überraschen, ob zum Code auch ein Cake hinzu kommt.
Interview: Eleonora Han