von Maximilian Staude
Wozu braucht es noch die „alten“ Medien, wenn die Politik selbst Bloggen und Facebooken kann? Und wer kontrolliert das eigentlich?
Der Wahlsieg von „Twitter-König“ Donald Trump entgegen allen Prognosen zeigt: Facebook, Twitter, Youtube und Co. haben die politische Kommunikation verändert, wie es selbst Experten sich nicht haben ausmalen können.
Noch wenige Tage vor dem denkwürdigen Ausgang der US-Wahl hatte sich die öffentlich-rechtliche Medienbrache in Berlin getroffen, um das Verhältnis von etablierten Medien, Politik und Internet zu diskutieren.
Die Veranstaltung in den Räumlichkeiten der Thüringer Landesvertretung war hochkarätig besetzt: Ministerpräsident, Richter am Bundesverfassungsgericht, ARD-Vorsitzende, Direktoren von Landesmedienanstalten und Medien-Instituten, Professoren, Journalisten… und überaus optimistisch war keiner gestimmt.
Bratwurst und Filterblase
Junge Menschen nutzen soziale Medien inzwischen als Hauptquelle für politische Informationen. Gerade Gruppen, die sich exkludiert fühlen, informieren sich fast ausschließlich via Smartphone. AfD-Politiker bekennen offen, dass sie dem „Spiegel“ kein Interview geben müssten, denn sie hätten ja Facebook. Aufgrund der Algorithmen in den sozialen Netzwerken werden Nutzer*innen immer mehr die Nachrichten angezeigt, die zu dem vorherigen Like-Verhalten passen – eine „Filterblase“ bildet sich.
Im postfaktischen Zeitalter akzeptiere jeder eh‘ nur noch die „Fakten“, an die er ohnehin schon glaube, fasste Benjamin Hoff, Chef der Staatskanzlei Thüringen, den vom US-Autors Ralph Keyes entwickelten Begriff zusammen. Auch Experten werde nun nicht mehr geglaubt.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) verwies auf das Youtube-Video über die erste koschere Bratwurst in Thüringen. Das bekam schnell 10.000 Aufrufe, aber ebenso 1000 Hasskommentare, die die Staatsanwaltschaften „für Wochen oder Monate“ beschäftigen könnten. „Das ist die schöne neue Welt, an der wir teilhaben“, stellte Ramelow trocken fest und fügte ironisch an: Wenn er über Chemtrails und Reichsbürger in Kombination twittere, würde das die meisten Reaktionen bringen.
Wenn Politiker bloggen
Martin Fuchs (Pluragraph.de) präsentierte im Folgenden den erfolgreichsten Tweet eines Bundesministeriums: Der „Wir gehen jetzt in den Pub uns betrinken“-Tweet des Auswärtigen Amtes nach der Brexit-Entscheidung der Briten. In der Realität seien die Mitarbeiter*innen aber später nicht dorthin gegangen, wie Fuchs nachschob.
Das meistgeklickte Video der Bundesregierung zeigt Angela Merkel mit der Queen beim Staatsbesuch im Bundeskanzleramt. Der 50-Sekunden-Clip ohne wirklichen Informationsgehalt und in schlechter Ton-Qualität (Fuchs: „Zwei alte Frauen im Büro“) wurde exklusiv auf der Facebook-Seite der Bundesregierung veröffentlicht – kein Medienvertreter hatte dieses Bildmaterial.
Fleißig auf Youtube ist auch Hannelore Kraft (SPD), Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen unterwegs. In einem Vlog auf ihrem Kanal sprach sie, sichtlich müde des Nachts auf der Rückbank im Dienstwagen, über den Stress in ihrem Beruf. An sich eine ehrliche Machart, die aber auch nach hinten los gehen kann, wie Fuchs anmerkte. Wer will denn eine Politikerin wiederwählen, die in zehn Videos in Folge darüber lamentiert, wie anstrengend der Job doch ist?
Neben diesen „menschelnden“ Beiträgen zeigt sich in der digitalen Politik-PR der Trend zu journalistisch angehauchten Beiträgen. Anstelle von Pressestatements dreht man zum Beispiel einfach eigene Videos, in denen ein Minister im Büro auf Stichwort eines PR-Mitarbeiters ungestört vorträgt.
Ein solcher Clip wird dann in den Sozialen Medien hochgeladen und – wie in einem Fall bei Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) geschehen – von einem Nachrichtensender einfach in den Beitrag hineingeschnitten.
Für den Zuschauer ist dann nicht auf den ersten Blick erkennbar, dass hier gar kein echtes journalistisches Gespräch stattfand. Ein Praxis, die im Printbereich in Form der (teilweisen) Übernahme von PR-Texten in redaktionelle Artikel schon lange bekannt ist.
Darf die Kanzlerin streamen?
Ein weiterer – für Außenstehende wohlmöglich wunderlicher – Diskussionspunkt war, ob die Bundeskanzlerin überhaupt einen Google-Hangout machen oder ihren wöchentlichen Podcast veröffentlichen darf? Oder wie es rechtlich um die PR-Serie „Die Rekruten“ steht, die die der Bundeswehr jede Woche auf Youtube hochlädt?
Wer in Deutschland ein regelmäßiges Radio- oder Fernsehformat betreiben will, muss sich nämlich eigentlich eine Lizenz von der zuständigen Landesmedienanstalt besorgen. An die kostenpflichtige Vergabe sind auch Kriterien zur Sicherung der Meinungsvielfalt geknüpft. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird noch gesondert durch Staatsverträge geregelt.
Da in Deutschland für den Rundfunk aber auch der Grundsatz der „Staatsferne“ gilt, könnte Angela Merkel gar keine Erlaubnis zum Senden bekommen. Ein eigenes Regierungsfernsehen darf die Bundesregierung nicht betreiben. Also auch kein Youtube?
Für den Rechtsexperten Hubertus Gersdorf darf, ja muss der Staat sogar Mittel zur Selbstdarstellung seiner Arbeit und Politik nutzen. Die Kommunikation mit den Bürgern gehöre schließlich in eine Demokratie. Mehr aber nicht.
Siegfried Schneider, Direktor der Konferenz aller Medienanstalten (DLM), bekannte zu dem Thema freimütig: „Wir hangeln uns zur Zeit so durch“. Eigentlich ginge einiges, was die Politiker da machten, nicht, aber die politische Realität sei andere. Man hoffe auf die derzeit laufende Überarbeitung der entsprechenden Richtlinie…
Am Ende war sich die versammelte Medienelite immerhin einig, dass man den Entwicklungen im Netz hinterherlaufe.
Die gesamte Veranstaltung kann hier nachgesehen werden.