09.04.2019 | 10:00-17:00 Uhr | | Hannah El-Hitami und Inga Dreyer
Fluchtgeschichten sind spannend. Aber sind sie das einzige, was eine Person ausmacht? Wenn über Menschen mit Fluchterfahrung berichtet wird, dann ist die Flucht meist der Aufhänger. In erster Linie werden die Protagonist*innen als Geflüchtete beschrieben. An zweiter und dritter Stelle werden sie vielleicht noch als Ärzt*innen, Aktivist*innen oder Schriftsteller*innen vorgestellt, haben Interessen, Erfahrungen und Eigenschaften, die nichts mit ihrer Flucht zu tun haben. Wird ihnen das gerecht? Wo liegt unser Interesse in der Berichterstattung?
Viele Geflüchtete und andere Migrantinnen und Migranten sind genervt davon, dass sie nur in dieser Eigenschaft Aufmerksamkeit bekommen; dass sie nicht als „ganz normale“ Künstler*innen rezensiert oder als Expert*innen konsultiert werden. Doch was passiert, wenn wir diesen Aspekt ihrer Lebensgeschichte weglassen? Dann ist die Story nicht mehr so dramatisch, nicht „sexy“ genug – in manchen Fällen für die Redaktionen gar keine Story mehr.
In unserem Workshop wollen wir uns mit solchen Dilemmata beschäftigen und gemeinsam nach Antworten suchen. Denn oft gilt fürs Schreiben über Flucht und Migration: Gut gemeint ist nicht unbedingt gut. Im Gegenteil. Häufig tappen wir in Klischee- und Macht-Fallen. Migrant*innen wird unabsichtlich eine Opferrolle zugesprochen, sie werden als Gruppe in eine Schublade gesteckt, aus der sie nicht wieder herauskommen. Warum etwa werden Geflüchtete oft nur mit Vornamen bezeichnet? Und warum kennt kaum einer die Singularform von Roma?
Anhand von solchen Beispielen wollen wir während unseres Workshops erarbeiten, wo die Probleme in der Berichterstattung liegen. Außerdem wollen wir uns über Erfahrungen in Redaktionen austauschen, die eine andere Berichterstattung über Flucht und Migration versuchen. Mithilfe von praktischen Übungen versuchen wir herauszufinden, wie wir Interviewfragen stellen können, die das Gegenüber nicht in eine Ecke drängen; und wie wir weniger oberflächlich mit den Lebensläufen unserer Protagonist*innen umgehen und trotzdem eine spannende Geschichte erzählen können.
Dozentinnen: Inga Dreyer und Hannah El-Hitami
Hannah El-Hitami ist freie Journalistin mit Schwerpunkt Arabische Welt und Postkolonialismus. Sie arbeitet unter anderem als Übersetzerin und Autorin für das Fann-Magazin („Fann“ = arab.: „Kunst“) , eine Online-Publikation auf Deutsch und Arabisch.
Inga Dreyer schreibt als freie Journalistin vor allem über Gesellschaft und Kultur – unter anderem für die Märkische Oderzeitung, das Fann-Magazin, das neue deutschland und die dpa. Sie ist Projektleiterin der Yalla Media Akademie, einer journalistischen Workshop-Reihe für junge Leute mit und ohne Migrationshintergrund. Die Akademie ist ein Projekt der Jugendpresse Deutschland e.V. und des Vereins Eed Be Eed.
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